Auf Spuren des Mars und der Humanitas

Inhalt aktualisiert am 25.07.2023
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ZUM REISEBERICHT

ZUR BILDERSTRECKE


Reiseleitung: Barbara und Jürg Stüssi-Lauterburg

3 Reisetage

Erstmalig im Reiseangebot


Thematische Umschreibung


Ohne Frage: die „Bataille de Solférino“ ist die bekannteste Schlacht in der Reihe einer Vielzahl militärischer Auseinandersetzungen während der Italienischen Unabhängigkeitskriege, zwischen 1848 und 1866. Der Sieg des französischen Kaisers Napoleon III und des sardinischen Königs Vittorio Emanuele II über den jungen österreichischen Kaiser Franz Joseph I. bereiteten den Weg zur Loslösung Norditaliens aus der österreichischen Herrschaft. An die 4’000 Tote, acht- bis neunmal so viele Verwundete waren am Abend des 24. Juni 1859 beiderseits zu beklagen. Ein Genfer Händler und Immobilienspekulant beim angestrengten Bemühen um eine Begegnung mit Napoleon III. sollte, zufällig, unmittelbar Augenzeuge dieses Elends werden. Er konstatierte mit Erschütterung, dass die Hilfe für die Notleidenden von den Kriegführenden selbst in keiner Art und Weise genügte und dass die freiwilligen Helferinnen oft zwischen den Verwundeten der verschiedenen Parteien unterschieden. In den «Erinnerungen an Solferino» hielt Henry Dunant sein Trauma fest. Die Folgen seiner spontanen Hilfsaktion Seite an Seite mit Frauen und Mädchen und auch einigen Männern der Region dürfen wohl zu den nachhaltigsten Lichtblicken der Menschheitsgeschichte gezählt werden.

Zuvor und danach stiessen die Heere südwestlich von Verona, bei Custoza aufeinander. 1848 unter Feldmarschall Graf Radetzky und 1866 unter Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen stand die Gunst des Mars zweimal auf Habsburgs Seite. So wurde das früher auch mit Doppel-«z» geschriebene Custoza zum Inbegriff der Erfolge der österreichischen „herrlichen Armee“. Der Sieg von 1848 sollte die Lombardei bis zur entscheidenden Schlacht von Solferino weiterhin an Österreich binden. Der glückliche Sieg 1866, auf den Tag genau sieben Jahre nach Solferino bestätigte Habsburgs militärische Vormachtstellung in Venetien. Die Niederlage des kaiserlichen Heeres am 3. Juli 1866 gegen die mit Italien verbündeten Preussen bei Königgrätz besiegelte allerdings den endgültigen Rückzug der Armeen Franz Josephs I aus Norditalien. Wien hatte die nach dortiger Ansicht schwierigere Front gegen Preussen Ludwig von Benedek und die einfachere Front dem hochbegabten Sohn des legendären Erzherzogs Carl anvertraut.

Custoza 1848 bescherte Radetzky (Grillparzer: «in deinem Lager ist Österreich») den weltweit wohl bekanntesten Marsch; die Folgen von Solferino sind weltweit unbestritten von weit grösserer Bedeutung. Bedauerlicherweise jedoch klatscht die Welt am Neujahrstag nicht zum Resultat der Initiative Dunant’s sondern im Takte des Johann Strauss dem Älteren.

Die Geschichte der liebreizenden Landschaft südlich des Gardasees ist wohl von Kanonendonner geprägt. Die militärhistorischen Ereignisse leben heute in einer unüberschaubaren Zahl an Rezensionen weiter. Die Reise wird zwar von „Pulverdampf“ begleitet, fokussiert aber in gebührendem Umfang auf die sozial-kulturellen Aspekte und insbesondere die humanitäre Idee eines Genfer Handelsmannes und Humanisten.

Programm


Erster Reisetag

0800, Fahrt mit dem Car ab Zürich via Gotthard nach Mailand und via Bergamo nach San Martino della Battaglia. Mittagessen unterwegs. Ausführungen zum Geschehen im nördlichen Abschnitt der Doppelschlacht von San Martino-Solferino. Fahrt nach Peschiera del Garda. Zimmerbezug (zwei Nächte), Abendessen, Übernachtung.

Zweiter Reisetag

Frühstück, Fahrt nach Solferino. Ausführungen zum Schlachtgeschehen im südlichen Abschnitt der Doppelschlacht. Besuch des Schlachtfelds und des Ossuario von Custoza (1848-1866) Rückfahrt nach Peschiera. Abendessen am See. Übernachtung.

Dritter Reisetag

Frühstück, check-out, Fahrt nach Trento (Rundgang) Rückfahrt via Brenner, Innsbruck, Arlberg nach Zürich. Ankunft in Zürich gegen 1830.

Der Reisebericht von Dr. Gabriela Wyss


Auf der Fahrt mit dem Bus via Gotthard und Bergamo nach San Martino della Battaglia haben uns die Reiseleitenden Dr. Jürg und Barbara Stüssi-Lauterburg nach einer herzlichen Begrüssung der Reiseteilnehmerinnen und Reiseteilnehmer die Zusammenhänge und Hintergründe zum Geschehen im nördlichen Abschnitt der Doppelschlacht von San Martino-Solferino profund vermittelt. Bereits beim Verlassen von Zürich hat Herr Stüssi mit Hinweis auf den Aufsatz von Peter Stadler auf den Frieden von Zürich 1859, dem Ende des sardischen Krieges (Zweiter Unabhängigkeitskrieg) hingewiesen, der im Rathaus offenbar auf Vorschlag von Kaiser Franz Joseph abgeschlossen wurde (Sonderdruck aus «Schweizer Monatshefte», 39. Jahr, Heft 7, Oktober 1959, S. 594f.).

Die italienischen Unabhängigkeitskriege sind als Teil des Risorgimento drei aufeinanderfolgende Kriege zwischen den italienischen Staaten unter Vorherrschaft Sardiniens gegen das Kaisertum Österreich, welche 1870 mit der Besetzung Roms zur Einigung Italiens führten.

Im ersten Unabhängigkeitskrieg (1848-1849) gab es in Italien wie in anderen Ländern Europas Volksaufstände; in der Märzrevolution versuchten insbesondere Mailand und Venedig die österreichische Herrschaft abzuschütteln. Der Hauptkriegsschauplatz war das österreichische Festungsviereck am Mincio und an der Etsch, Peschiera – Verona – Legnago – Mantova. Das Eingreifen von Sardinien-Piemont führte zum Sieg in der Schlacht von Goito, worauf auch die österreichische Besatzung von Peschiera kapitulierte. Doch das Kriegsglück wendete sich danach abrupt, weil der König beider Sizilien, Ferdinand II., aufgrund seiner bedrohten Situation in seinem Reich sich aus Norditalien zurückzog und auch der Papst den Rückzug seiner Truppen anordnete. In der Schlacht bei Custozza errangen die österreichischen Truppen den entscheidenden Sieg.

Im zweiten Unabhängigkeitskrieg wurde das Ende des Königreichs Neapel besiegelt, wobei Giuseppe Garibaldi mit seinen Rothemden in der Schlacht von Calatafimi die weit überlegenen neapolitanischen Truppen schlug. Am 18. Februar 1861 eröffnete Cavour in Turin das erste vereinigte Parlament, das Viktor Emanuel am 17. März 1861 zum ersten König von Italien proklamierte.

Im dritten Unabhängigkeitskrieg (1866) endete ein neuer italienischer Versuch, Venetien zu erobern trotz einer militärischen Niederlage gegen Österreich in der Zweiten Schlacht bei Custozza sowie der verlorenen Seeschlacht von Lissa mit dem gewollten territorialen Erfolg. Das mit Italien verbündete Preussen besiegte die Österreicher am 3. Juli 1866 in der Schlacht von Königgrätz, weshalb diese trotz der Siege im Süden Venetien an Frankreich abtreten musste. Mit dem Prager Frieden vom 23. August 1866 wurde die Herauslösung des lombardo-venetianischen Königreichs aus der österreichischen Monarchie verbindlich und Frankreich gab diese Territorien an das Königreich Italien weiter, worauf die italienischen Truppen kampflos in Venetien einmarschieren konnten. Im Wiener Frieden vom 3. Oktober 1866 wurde Venetien als italienischer Besitz bestätigt.

Die italienischen Unabhängigkeitskriege endeten im September 1870 mit der Eroberung Roms, wobei der Papst sein Staatsgebiet verlor und die Vatikanstadt quasi exterritorial wurde. Doch aus Sicht der italienischen Irredentisten wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg die italienische Einigung mit Abschluss der Pariser Friedenskonferenz 1919 beendet. Der Rechtsstatus des Kirchenstaates konnte erst 1929 durch die Lateranverträge endgültig gelöst wurde.

Am 2. Reisetag stand Henry Dunant als Initiator der Rotkreuz-Bewegung und Mitbegründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Zentrum des Programms. Henry Dunant wurde als Geschäftsreisender im Juni 1859 Zeuge der erschreckenden Zustände unter den Verwundeten nach der Schlacht von Solferino. Darüber schrieb er sein Buch «Eine Erinnerung an Solferino», worauf es in Genf zu Gründung des IKRK kam und 1864 die Genfer Konvention basierend auf Vorschlägen in seinem Buch beschlossen wurde. 1901 erhielt er zusammen mit Frédéric Passy den ersten Friedensnobelpreis.

In Castiglione delle Stiviere stand die Besichtigung des Museums des Roten Kreuzes und besonders eindrücklich der Torturm des Castellos auf dem Programm, auf dessen Terrasse Herr Stüssi die Truppenbewegungen im Gelände anschaulich erläutern konnte. Anschliessend besuchten wir in Solferino das Memorial des Roten Kreuzes. Nach dem gemeinsamen Mittagessen ging die Fahrt nach Valeggio sul Minico. Dort spazierten wir zum Ponte Lungo Visconteo und besichtigten anschliessend noch das Ossario von Custoza. Am Abend sorgte ein Spaziergang durch Trento und ein gemütliches italienisches Abendessen für einen geselligen und schönen Ausklang des Tages.

Am letzten Reisetag besichtigten wir in Trento den unserem Hotel gegenüberliegenden Park mit dem Dante Denkmal. Mit den Ausführungen von Frau Stüssi zu den irdischen und himmlischen Geschehen traten wir danach die Rückreise über den Brenner an. Auf der Fahrt gab Herr Stüssi noch Informationen zur Franzenfeste, Siegesdenkmal und den Ort Brixen. Bei einem Stopp am Bahnhof des Dorfes Brenner besichtigten wir den Ort des Treffens von Mussolini und Hitler am 2. Juni 1940 unter der Bahnhofsuhr, Gleis 1. Mit den Ausführungen unseres Reiseleiters zur Schicksalsgemeinschaft Krieg und der damals von Hitler geäusserten Meinung, dass die Schweiz das widerwärtigste und erbärmlichste Land sei, ging die Fahrt zurück nach Zürich.

Abschliessend möchte ich noch anmerken, dass es bei dieser Reise ausnahmsweise keine Reisedokumentation gab, dafür jedoch auf Veranlassung von Barbara und Jürg Stüssi-Lauterburg das Buch «Dunant-Moynier, un prix Nobel peut en gâcher un autre» den Teilnehmenden vorab zugestellt wurde.

Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich herzlich beim Reiseteilnehmer Christian Rissi, der mir den anfangs zitierten Aufsatz von Peter Stadler zusammen mit den Fotos von der Reise zukommen liess.

Die Bilderstrecke von Christian Rissi

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