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Das falsche Spiel mit Kevin Pezzoni

Geschäftsführer Claus Horstmann weist Kevin Pezzonis Vorwürfe nach der Vertragsauflösung zurück. Doch der Fall reiht sich in das schwache Bild ein, das der 1. FC Köln seit Monaten abgibt.

Ein paar Tage war er in der Schweiz, doch nun ist Kevin Pezzoni wieder da. Er sitzt in der Kanzlei seines Anwaltes und möchte reden. Über die Vorfälle vom 28. August und die Lawine, die losgetreten wurde. Es geht um jene Verbrecher, die plötzlich vor seiner Wohnung standen und ihm Gewalt androhten. Es geht um Aufrufe im Internet: "Erschießt ihn, brecht ihm die Beine!" Es geht aber auch um den 1. FC Köln, für den der Abwehrspieler fast fünf Jahren spielte und der nach den Vorfällen den Vertrag mit ihm auflöste – offenbar froh, einen unbequemen Profi unkompliziert loszuwerden.

Das jedenfalls ist Pezzonis Vermutung, die er im Interview mit der "Welt am Sonntag" äußerte. Über Monate schon war er zum Feindbild geworden, dem 23-Jährigen wurde der sportliche Niedergang des Klubs angelastet. Nachdem er vor zwei Wochen von fünf Chaoten angepöbelt worden war und tags darauf einen Zettel an seinem Auto gefunden hatte ("Pass auf, wenn es dunkel wird"), hatte er sich an seinen Trainer Holger Stanislawski gewandt. "Wir sprachen darüber, ob es Sinn macht, wenn ich in dieser überhitzten Atmosphäre im kommenden Spiel auflaufe. Stanislawski meinte, dass der Klub eine Lösung finden müsse. Das war auch meine Meinung."

Die Lösung offerierte ihm der 1. FC Köln kurze Zeit später. "Vertragsauflösung" lautete die Idee, die Geschäftsführer Claus Horstmann und Manager Jörg Jakobs ersonnen hatten. "Ich bin zufrieden, dass wir eine Lösung im besten gegenseitigen Einvernehmen gefunden haben", gab Jakobs bekannt. Bestes gegenseitiges Einvernehmen? Pezzoni war erschüttert.

"Günstige Gelegenheit, mich loszuwerden"

"Ich hatte gehofft, dass die Verantwortlichen sich hinter mich stellen und versuchen, mich zu schützen. Ein Verein sollte dazu in der Lage sein, seine Spieler vor den Fans zu schützen. Das war in diesem Fall nicht so", sagt Kevin Pezzoni. Und ergänzt: "Ich wollte nie meinen Vertrag auflösen. Der Vorschlag wurde vom Verein an mich herangetragen." Seine Vermutung: "Für mich wirkt es so, als ob auf eine günstige Gelegenheit gewartet wurde, mich loszuwerden."

Dieser Aussage widerspricht Horstmann. Wenige Stunden, nachdem die Nachrichtenagenturen am Samstag die Kernaussagen Pezzonis verbreitet hatten, gab der 1. FC Köln schon eine Erklärung ab. "Die von ihm nun erhobenen Vorwürfe sind substanzlos, unangebracht und schaden ihm selbst am meisten. Pezzoni ist vermutlich enttäuscht, da es insbesondere in Gesprächen mit seinem Vater immer wieder unterschiedliche Auffassungen zwischen dem 1. FC Köln und ihm gegeben hat", ließ Horstmann übermitteln. Der Verein habe sich sehr wohl schützend vor seinen Spieler gestellt. Er habe Facebook-Seiten löschen lassen und Stadionverbote gegen die Initiatoren erlassen, heißt es in der Presseerklärung.

Kleinliche Anschuldigungen des FC

Die Kölner kämpfen aber nicht nur gegen den Vorwurf, sich allzu willfährig von ihrem Verteidiger getrennt zu haben. Sie ergehen sich zudem in kleinlichen Anschuldigungen. "Vor einigen Wochen bat mich Kevins Vater darum, eine Prämie der Vorsaison auszuzahlen. Dabei hatte Kevin nur 14 statt der erforderlichen 15 Spiele gemacht. Wären davon zehn über 90 Minuten gewesen, hätte ich zugestimmt. Da der Spieler aber überwiegend Kurzeinsätze hatte, haben wir die Prämie nicht gezahlt. Vielleicht war er enttäuscht darüber", mutmaßt Horstmann im Gespräch mit der "Welt".

Außerdem habe ihm Pezzonis Vater von einem Schuhausrüstervertrag erzählt, den er für seinen Sohn abgeschlossen hat: "Ich habe ihn aufgefordert, diesen Vertrag wieder zu kündigen. Wir haben selbst Ausrüsterverträge für unsere Spieler, also geht so etwas nur, wenn Spieler schon bei ihrem Start beim FC einen solchen Vertrag haben. Nachträglich geht das nicht. Er hat das dann so akzeptiert, war aber nicht erfreut."

Die Andeutung, dass es sich bei Pezzonis Aussagen um eine beleidigte Replik handelt, spricht nicht gerade für den FC, der zudem darauf hinweist, dass der Spieler ja "in drei von vier Pflichtspielen eingesetzt worden war, obwohl es wiederholt öffentliche Kritik an seiner Leistung gab". Vielmehr reiht sich die aktuelle Entwicklung in das schwache Bild ein, das der Klub seit Monaten abgibt.

Polizei musste Platzsturm verhindern

Chaoten treiben den 1. FC Köln vor sich her. In der vergangenen Saison musste der Mannschaftsbus des Öfteren nach Auswärtsspielen geheime Orte ansteuern, weil am "Geißbockheim" der Mob tobte. Im Februar wurde Pezzoni während einer Karnevalsfeier die Nase gebrochen, wobei Geschäftsführer Horstmann behauptet, die Geschehnisse hätten "absolut nichts" mit dem 1. FC Köln zu tun: "Da hat der Ex-Freund seiner Freundin Kevin geschlagen. Trotzdem haben wir uns vor den Spieler gestellt." Allerdings wurde auch dem Leverkusener Michal Kadlec in Köln die Nase zertrümmert, dies erwiesenermaßen ohne amourösen Hintergrund. FC-Hooligans attackierten zudem im Frühjahr einen Bus mit Gladbacher Fans. Das letzte Saisonspiel wurde vorzeitig abgebrochen, weil Rauchbomben im Kölner Block gezündet wurden. Die Polizei verhinderte einen Platzsturm.

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Nun wurde im Fall Pezzoni die Chance verpasst, ein Zeichen gegen die Chaoten in den eigenen Reihen zu setzen. Er hätte sich jemanden wie Bayern-Präsident Uli Hoeneß an seiner Seite gewünscht, sagt Pezzoni: "Als die Bayern-Fans damals Manuel Neuer attackiert haben, hat Hoeneß sich vor ihn gestellt und für ihn gekämpft. Mir wurde lieber die Vertragsauflösung angeboten." Letztendlich wollte er nicht bei einem Klub bleiben, der "mir in solch einer Situation die Trennung anbietet anstatt für mich zu kämpfen".

Mitarbeit: trn

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