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Fußballspieler wurde zum Sündenbock der Fans

Beleidigt, bespuckt, bedroht: Kölner Kevin Pezzoni gibt auf

Köln

Nach der 0:2-Niederlage gegen Erzgebirge Aue vor einer Woche wurde er von Kölner Anhängern bespuckt, an seinem Auto klebten Zettel mit Drohungen, vor seiner Wohnung lauerten ihm Chaoten auf, die Freundin wurde verbal beleidigt: Zwei Tage danach hat Kölns Zweitliga-Fußballer Kevin Pezzoni aufgegeben und den Verein um Auflösung seines Vertrags gebeten – dies wurde am Wochenende bekannt und sorgte für großes Entsetzen.

Olaf Kupfer

Kevin Pezzoni wurde in Köln mehrere Monate lang aufs Übelste angefeindet. Jetzt hat er die Konsequenzen gezogen und den Verein verlassen.
Kevin Pezzoni wurde in Köln mehrere Monate lang aufs Übelste angefeindet. Jetzt hat er die Konsequenzen gezogen und den Verein verlassen. Foto: dpa

„Das sprengt alle Grenzen. Es ist viel mehr, als alles, was passiert ist“, sagte Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, Ex-FC-Trainer Ewald Lienen nannte den Vorgang „kriminell“, und die Spieler des 1. FC Köln zeigten sich solidarisch mit ihrem ehemaligen Kollegen: „Wir lassen es als Mannschaft nicht zu, dass einzelne Spieler von einzelnen Chaoten gedemütigt und persönlich angegangen werden.“

Pezzoni, der mit einigen Fehlern in seinem Spiel für jene Chaoten zum Synonym für den Niedergang des Vereins geworden ist, bedankte sich via Facebook für das „Verständnis für meine Entscheidung“. Dem 23-Jährigen war bereits im Februar 2012 im Kölner Karneval von einem Betrunkenen die Nase gebrochen worden. Der gesamte Vorgang ist im Profifußball ohne Beispiel, im Amateurfußball nicht: 2011 attackierten Chaoten mit Daniel Baur den ehemaligen Kapitän des 1. FC Magdeburg, danach löste Baur seinen Vertrag auf. Kevin Pezzoni hat einiges ausgehalten.

Letzten Mittwoch gelangte er an einen Punkt, an dem er es nicht mehr ertragen konnte. Er bat Trainer Holger Stanislawski und Sportdirektor Frank Schaefer um Auflösung seines Vertrags. Der 1. FC Köln kam der Bitte nach, Pezzoni hat Köln bereits verlassen und ist für einen eventuellen neuen Arbeitgeber sofort spielberechtigt. Nach dem Spiel in Aue hatte das Übel seinen Lauf genommen, angefangen hat es lange zuvor.

Als einer der Wenigen hatte Pezzoni den Umbruch vor dieser Saison überstanden, trägt also den Abstieg mit sich durch die triste sportliche Gegenwart in der zweiten Liga. Wegen seiner überschaubaren Dynamik und einiger offensichtlicher Fehler, die zu Gegentoren führten, war der 23-Jährige den tumben Anhängern ein gutes Opfer. Pezzoni ist ein freundlicher und zuvorkommender Mensch, eher weich als hart, sagen die, die ihn kennen. Man darf sich also durchaus sorgen um den Menschen Pezzoni, der 2008 nach Köln gekommen war, als Christoph Daum noch das Zepter schwang.

Pezzoni fand in einer damals noch weitgehend intakten Mannschaft seinen Platz im defensiven Mittelfeld, später wechselte er wieder in die Innenverteidigung, dorthin, wo Fehler sofort bestraft werden – und ins Auge fallen. Der Frust der Chaoten ist in Köln so groß wie die Leidenschaft der Fans. Nach dem letzten Bundesliga-Spiel gegen den FC Bayern, mit dem der vierte Abstieg besiegelt war, soll Pezzonis Kollege Christian Eichner das Stadion im Kofferraum seiner Eltern verlassen haben.

„Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot“, schallte es schon vor gut einem Jahrzehnt durch das Kölner Stadion. Kevin Pezzoni ist abgestiegen. Sportlich. Menschlich sicher nicht.

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